Lobgesang
Musik ist gut für die Seele, am besten live. Je mehr, desto besser.
Letzten Monat ließ ich mich von einem Konzert mit Chor und Orchester verwöhnen. In der Henry Crown Halle des Jerusalem Theaters war der Stuttgarter Chor Laudamus Te beim Jerusalemer Oratorio Chor zu Gast. Gemeinsam mit dem Symphonieorchester gaben Sie Mendelsohn zum Besten, den 42. Psalm und Symphonie Nr. 2 „Lobgesang“. Es müssen insgesamt wohl etwa 150 Sänger gewesen sein, die sich auf der Bühne hinter dem Orchester drängten. Die Darbietung war davon nicht beeinträchtigt. Wer dem Konzert in der Liveübertragung im Radio folgte, dem war das natürlich sowieso egal. Ich saß in der dritten Reihe und hatte das Privileg von dort aus die Violinistinnen und Dirigentinnen aus erster Nähe zu beobachten.
Letztere beeindruckten mich ganz besonders. Es machte mir so richtig Spaß ihnen zuzusehen. Dirigieren ist ein bisschen wie Tanzen. Nur dass beim Tanzen der Körper von der Musik bewegt wird und beim Dirigieren umgekehrt. Die Musik richtet sich nach den Bewegungen des Körpers. Das ist unglaublich powervoll. Ich fand es inspirierend diese Frauen zu beobachten und bewunderte mit welcher Energie sie die Musik regierten. Naama Nazarathy Gordon, die Leiterin des Oratorio Chors kenne ich, sie ist eine Freundin. Ihre sanften, leidenschaftlichen Bewegungen sind mir bekannt. Die Musik scheint direkt aus ihren Fingern zu fließen. Auch der deutsche Chor wird von einer Dame namens Monica Meires Vasques (siehe Bild) geleitet. Die Exaktheit ihrer Bewegungen und deren Ausdrucksstärke fand ich faszinierend. Es handelt ich um einen Beruf, der noch bis vor kurzem ausschließlich von Männern ausgeübt wurde. Wie sehr er doch auf Frauen zugeschnitten ist!
Später wurde ich belehrt, dass mein Vergleich mit dem Tanzen nicht ganz akkurat ist. Die Musik ist immer der Motor. Beim Dirigieren befindet sie sich anfangs im Geiste des Dirigenten oder der Dirigentin. Diese(r) hört sie im Kopf und zieht dann mit dem „Tanz“ das Orchester in seinen Bann. In diesem Fall in ihren Bann. Diese Belehrung kam von einem der jungen Chorsänger, der selber auch Dirigent ist bei einem Glas Wein in Naamas Wohnung. Es scheint mir eine unglaubliche Herausforderung, die Musik durch den eigenen Körper so einem ganzen Orchester zu übermitteln, dass sie klingt, wie man sie im Geiste gehört hat.
Gerne hätte ich auch einige der Deutschen Musiker kennen gelernt, aber das ergab sich leider nicht. Sie waren für eine Woche in der, für sie, als Christen, heiligen Stadt. Neben den normalen touristischen Aktivitäten probten sie täglich mit dem Jerusalemer Chor. Ein weiteres Konzert gab es wenige Tage später in der Oper von Tel Aviv. Zuvor war der israelische Chor eine Woche in Stuttgart gewesen, wo es ebenfalls zwei Konzerte gegeben hatte. Eine wunderbare und weit verbreitete Zusammenarbeit unter israelischen und christlichen Chören.
Stammgäste und Stamm-musiker
Dienstagabend, ein ganz normaler Abend mitten in der Woche. Alltag. Noch ist das Wetter trocken und warm genug, dass man draußen sitzen kann. Lange wird das nicht mehr möglich sein. Es wird schon richtig früh dunkel, das Tageslicht sehe ich nur aus dem Fenster meines Bueros.
„Komm wir treffen uns in der Stadt und trinken noch ein Bier“ – „Klar, gerne, haben wir schon lange nicht gemacht.“ In der Fußgängerzone gibt es ein kleines Lokal – also, es gibt natürlich viele Lokale dort, es wimmelt geradezu davon, aber in diesem gibt es jeden Abend Livemusik. Keine großartigen Konzerte, sondern einzelne Musiker und kleine Bands, entweder sehr jung und auf eine Kariere hoffend oder in fortgeschrittenem Alter, die den Traum einer Karriere schon aufgegeben haben. Nicht, weil sie keine guten Musiker wären, sondern weil …. nun, wer weiß. Das Lokal heißt Biermann. Eine Handvoll von Leuten sitzt an einer Handvoll Kneipentischen. Immer sind darunter auch zwei oder drei deutschsprachige Touristen. Andere Touristen finden ihren Weg interessanterweise nicht hier her. Das Publikum ist gemischt, aber zum großen Teil Stammgäste, die hier ein und ausgehen. Leute kommen vorbei und grüßen einander. So ist das im Dorf Jerusalem.
Am Klavier sitzt heute ein gealterter Jazzpianist mit Schirmmütze. Er ist auch ein Stamm-…, wenn nicht -Musiker, dann -Gast. Gelegentlich stimmt der Inhaber des Lokals mit einem riesigen Kontrabass ein. Er selber ist ebenfalls ziemlich riesig und in der selber Altersgruppe wie der Herr am Klavier mit etwas zu langen, grauen Haaren. Sie spielen klassischen Jazz und bekannte Melodien mit viel Routine und Leichtigkeit. Schade nur, dass aus dem Lokal nebenan immer wieder Fetzen anderer Musik aus Lautsprechern hämmert und sie von Zeit zu Zeit übertöst.
Neben uns am Tisch hat sich ein Herr mit Kippa und weißem Hemd platziert und eine Schach-Matte auf dem Tischchen ausgerollt. Er stellt die schwarzen und weißen Figuren sorgfältig auf und als ich das nächste Mal hinschaue sitzt ihm ein ganz junger Bärtiger gegenüber, der vorher mit einigen Freunden an einem anderen Tisch gesessen hatte. Sie waren bereits stumm ins Spiel vertieft. Am anderen Tisch ging es rege her, vor allem als die jungen Leute einen Freund in Soldatenuniform, Waffe und Kidback erblickten. Er war wohl gerade von der Basis auf Urlaub gekommen. All das zu dem Klang des Jazzklaviers und dem Kontrabass der beiden Musikveteranen.
Etwas ganz Besonderes
Der Kleine Prinz
Ich traf ihn inmitten der Wüste.
Schön ist ein Sonnenuntergang für ein trauriges Herz.
Ich zeichnete ihm einen Baum und ein Schaf auf ein Stück Papier,
und er versprach mir, dass er zurückkehren werde.
Der kleine Prinz aus der zweiten Einheit
wird kein Schaf mehr sehen, wie es eine Blume frisst.
All seine Rosen sind jetzt nur mehr Dornen,
und sein kleines Herz ist gefroren zu Eis.
Falls ihr jemals da vorbeikommen solltet,
wisset, dass er dort lautlos niedergefallen ist.
Man hörte es nicht einmal,
wegen dem weichen Sand.
Und wenn dann ein Junge auf euch zuschlendert,
wenn sein Gesicht schmunzelt und sein Haar goldblond ist,
wisset, dass er es ist und streckt ihm die Hand entgegen,
und streichelt den Staub der Wüste von seinen Augen.
Und dann seid bitte so lieb!
Schreibt schnell an all unsere Mütter,
damit sie etwas getröstet sind und ihre Trauer ein wenig vergeht.
Der kleine Prinz ist zu uns zurückgekehrt.
Der kleine Prinz aus der zweiten Einheit
wird kein Schaf mehr sehen, wie es eine Blume frisst.
All seine Rosen sind jetzt nur mehr Dornen,
denn sein kleines Herz ist gefroren zu Eis.
Ich traf ihn inmitten der Wüste….
Am folgenden Wochenende schmissen wir uns in Schale um einen ebenfalls etwas gealterten Musiker zu hören, der allerdings schon eine lange, fantastische Karriere hinter sich hat und wirklich außergewöhnlich ist. Schlomo Gronich macht seit über 40 Jahren Musik, hat sich in allen verschiedenen Stilarten versucht und hat immer wieder seinen eigenen daraus entwickelt. Ich habe ihn zum ersten Mal in den 80er Jahren bei einem Konzert im Kibbutz gesehen, ohne weder Hebräisch zu verstehen, noch seine Musik zu kennen. Er begeisterte mich damit, dass er Instrumente verteilte und das Publikum mit in seine Darbietung einbezog. Er war sehr energetisch und seine kabarettistische Art gefiel mir auf Anhieb.
Das Konzert, auf das wir uns mit großer Vorfreude vorbereiteten war in einem erheblich größeren Rahmen. Er trat mit dem Israelischen Philharmonie Orchester in einer der großen Konzerthallen in Tel Aviv auf. Neben seiner eigenen fantastischen Darbietungen hatte er auch drei weitere hervorragende Musiker als Gäste dabei, mit denen er in jüngeren Jahren ein Trio mit dem bezeichnenden Namen „Etwas Anders“ gebildet hatte. Sie sangen ihre gemeinsamen Lieder aus lange vergangenen Jahren. Auch Matti Caspi, ein weiterer, sehr populärer Sänger, dessen Musik etwas mehr als Mainstream bezeichnet werden kann, gesellte sich für zwei Stücke aus vergangenen Jahren hinzu. Die meisten Solo Stücke von Schlomo Gronich waren neu.
Das Lied vom kleinen Prinz hatte Gronich mit „Etwas Anders“ in den 70er Jahren herausgebracht und es wurde seitdem in etlichen Versionen von anderen Künstlern aufgenommen. Heute wird es oft auf Gedenkfeiern für gefallene Soldaten gesungen, aber auch in Song-Contests ist es zu hören. Schließlich gehören gefallen Soldaten in Israel leider noch immer nicht der Vergangenheit an.
Hier eine etwas weniger tragische Hörprobe von dem Konzert:
Schirim pschutim – Simple Lieder
Alle wollen simple Lieder
Melodien in zwei Akkorden
Alle verlangen simple Worte,
Texte, die mir nichts sagen…
Man geht tanzen, will sich vergnügen
nicht zu viel nachdenken
zweistimmig singen,
lalala…
…..
Alle wollen rosa eingepackte Nachrichten
und klatschen Beifall
aber die Nachrichten sind nicht so rosa
seht nur meine grauen Haare
Ich will weinen, ich will schreien
aber das wird nicht gesendet
nett und lieb muss man sein
lalala…
Alle wollen simple Lieder
hier nehmt… nehmt….
Und noch etwas ganz anderes:
Yesch li Simpathia – Ich habe Sympathie
Das ist so schön, danke!
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Toll, ich finde die Ausführungen toll !!!
Erich
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