In den 80er Jahren war sein Name in aller Munde. Er wurde als Freiheitskämpfer gepriesen und als Menschenrechtsverteidiger gelobt. Der Westen nutzte seine Geschichte im Armdrücken der Supermächte, im Duell zwischen dem amerikanischen Kapitalismus und dem sowjetischen Kommunismus. Jeder, der gegen das eine war musste zwangsläufig für das andere sein. Oder nicht?
Als geschichtsbewusste Berliner war uns die Glienicker Brücke wohlbekannt. Mein Vater hatte uns schon als Kinder zu dem Ort gebracht, an dem Spione ausgetauscht werden. Ich fand es aufregend. Mit großen Erwartungen sah der Westen dem Tag entgegen, an dem ein Regime-Gegner, nicht ein Geheimdienstagent über diese Brücke in die Arme der westlichen Freiheit laufen würde. Es war ein Triumph über den Osten.
Ich kann mich nicht erinnern, dass es jemand für erwähnenswert gehalten hatte, dass er Jude ist. Das lernte ich erst, als der Name Scharanski in der israelischen Politik auftauchte. Hey, ist das nicht der von der Brücke? Der, den alle bejubelt hatten und für dessen Freilassung die USA so hart gekämpft hatte? Was macht denn der hier? (Er machte im selben Jahr wie ich Alija).
Ich denke, es war dem Aktivisten immer wichtiger wofür er stand und nicht wogegen. Deshalb schloss er sich natürlicherweise seinen Leuten in ihrem eigenen Land an, nicht den Amis. Schwarz-Weiß-Denken liegt Natan Scharanski nicht.
Natan Scharanski macht keine Schlagzeilen. Aus der israelischen Politik hat er sich zurückgezogen, nachdem er es geschafft hatte den russischen Einwanderern Hoffnung zu geben und Einfluss zu erkämpfen. Allerdings bezieht er wichtige Positionen; Und er hat immer viel Wahres zu sagen. Vor Kurzem lass ich zum Beispiel ein Interview, in dem er unter anderem über Europa und die Flüchtlingssituation spricht. Diesen Artikel möchte ich gern mit Euch teilen: Zum Interview
Noch eine Anmerkung: Vor Jahren fragte ich einmal einen Bekannten, der seit Ewigkeiten im Auswertigen Amt tätig ist und so gut wie alle Minister persönlich kannte, ob es dort überhaupt noch vertrauenswürdige Politiker gäbe. Er dachte lange nach und sagte dann: „Die gab es mal. Der Einzige, der noch wirklich Integrität hat, ist Natan Scharanski.“
Danke für den Beitrag. Zufällig befasste ich mich vor Kurzem mit der „Person Scharanski“ und konnte mir kein klares Bild machen. Für uns auf der anderen Seite der Mauer war der Austausch auf der Glienicker Brücke auch ein großes Ereignis. Eins der Fanale, die zur „Wende“ einsetzten. Der Begriff „Scharanski“ wurde sogar in Ironie oder Witzen zum Synonym für „Austausch“ (wessen auch immer). Aber der echte Mensch Scharanski ist ungleich interessanter als das Synonym.
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Ja, es scheint der Name hatte eher symbolischen Wert. Er stand fuer etwas, und das war im Westen sicher nicht das Selbe, wie im Osten. Erst nachdem die ganze Austausch-Show vorbeiwar, wurde er fuer uns ein Mensch. Alles Liebe. Ruth
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