Fast eine Stunde im Bus sind genug Zeit morgens eine gesamte Zeitung durchzulesen. Zwei Schlagzeilen der Wochenendzeitung sprangen mir heute Morgen ins Auge:
“Israel to ally with Arab neighbours around Red Sea in bid to save world’s corals”. („Israel verbündet sich mit arabischen Nachbarn am Roten Meer, um die Korallen der Welt zu retten“)
Gefolgt war diese von einer anderen Schlagzeile über Forschungsarbeiten, die ich aber nicht gleich verstand. In diesem Fall handelte es sich um Archäologie. Klar war mir nur, dass dieser Artikel nicht von Zusammenarbeit erzählte, sondern eher dem Gegenteil davon.
Diese beiden Artikel zu lesen bietet ein anschauliches Bild von den Vorgängen die sich abseits und im Schatten der von Religion gefärbten Politik abspielen.
Die Sache mit den Korallen war für mich aus zwei Gründen spannend. Israel hat keine diplomatischen oder sonstigen Beziehungen zu einigen der Staaten am Roten Meer. Wie kommt die Kooperation zustande? Diese Länder beschuldigen Israel und die Juden für alles Unheil in der Welt und streben unsere Zerstörung an.
Und dann sind da meine eigenen Erinnerungen vom Tauchen im faszinierenden Korallenmeer des Sinai. Es ist etwas, was nicht zum israelischen Alltag gehört und Einen in eine magische Welt hinein zaubert – es sei denn man lebt in Eilat.
Welche Geschichte steckt also hinter dieser Schlagzeile? Es ist die Geschichte von Menschen, denen das Überleben der Korallenriffe wichtiger ist als Politik und Religion. Natürlich gibt es diese überall. Wie schaffen sie es aber, zusammen zu kommen? Die Antwort ist: Sie brauchen es nicht.
Das Red Sea Transnational Research Center wird von jemandem vollkommen neutral gemanagt. Es handelt sich hierbei um eine Schweizer Initiative, die untersucht, warum die Korallenriffe im Roten Meer weniger vom Ausbleichen durch steigende Temperaturen geschädigt werden, als Korallen anderswo in der Welt.
Geleitet wird das Projekt durch die Ecole Politechnique Federal de Lausanne, die eine Art Schirm bildet. Forscher in Israel, Jordanien, Ägypten, Jemen, Djibouti, Eritrea, Sudan und Saudi Arabien sammeln unabhängig voneinander ihre Ergebnisse, welche dann zur Auswertung an die Universität in Lausanne gesendet werden. Voila!
Bis jetzt läuft das Projekt auf diese Weise. In jedem Land werden getrennt dieselben Forschungsarbeiten durchgeführt. Die Schweizer koordinieren das Ganze in der Hoffnung, Hinweise zu erhalten, wie auch andere Korallenriffe geschützt oder gar gerettet werden könnten.
Vielleicht fundiert die Motivation der Schweizer eher in der Vision eine Form von Diplomatie durch Wissenschaft aufzubauen. Sie haben hier eine Chance gewittert, Gleichgesinnte zusammenzubringen, die sonst keine Möglichkeit haben, ihr Wissen auszutauschen und zu teilen. Auf diese Weise schaffen sie es vielleicht die enormen Abgründe zwischen den Ländern zumindest an einen Punkt zu überbrücken. Wer weiß, was danach folgt?
Ob der Hintergrund nun die Korallen sind, oder ob der Wille zur Überbrückung – ich bin in jedem Fall dafür.
Weniger Kooperation zeigt sich, wenn es um Archäologie geht, die den Tempelberg und seine Umgebung betreffen. Geschichtsforschung ist nicht unbedingt ein gemeinsames Interesse, im Gegenteil. Wenn Historie ein Grund zum Streit ist, wird Archäologie zu einem Mittel, diesen zu gewinnen.
Jede Seite ist darauf aus, Nachweise dafür zu finden, dass sie hier schon vor der anderen ansässig war. Oder, wie ich aus dem zweiten Artikel lernte, die eine Seite ist mehr damit beschäftigt, die Nachweise einer jüdischen Präsenz vor über tausend Jahren verschwinden zu lassen.
O.k., räumen wir der Waqf weniger schlechte Vorsätze ein und sagen wir, sie ignorieren einfach historische Funde. Waqf ist die muslimische Organisation, die für den Tempelberg verantwortlich ist und dort unter anderem auch Bauarbeiten durchführt. Was dabei an diesem geschichtsträchtigen Fleckchen ausgebuddelt wird, schüttet man einfach in das Kidron Tal.
Nicht nur sind Ausgrabungsarbeiten hier gegen die gemeinsamen Vereinbarungen, es ist auch illegal Bauschutt einfach irgendwo hinzukippen, nur weil dort Platz ist und nicht zuletzt gehen wertvolle archäologische Fundstücke verloren.
Eine israelische Initiative hat es sich zum Ziel gesetzt die Berge an Baumüll zu durchsieben und zu retten, was zu retten ist. Sie fanden Gegenstände aus den unterschiedlichsten historischen Perioden, unter anderem aus der Zeit des ersten jüdischen Tempels mit hebräischen Inschriften.
Für den nicht unvoreingenommenen Leser mag es so aussehen, als verfolge Israel hier eigennützige politische Ziele. Aber in einer Zeit, in der die UNO behauptet der Tempelberg habe für die jüdische Geschichte keine Bedeutung, kann man uns das wirklich übel nehmen?
Es gibt zu viele Menschen in der Welt, die sich nur freuen würden, wenn alle Beweise für das jüdische Leben verschwinden würden, insbesondere solche, die die Juden mit dem Heiligen Land in Verbindung bringen. Wie lächerlich ist das für jeden, der mit dem Alten und dem Neuen Testament als erste schriftliche Überlieferung der Geschichte aufgewachsen sind?!
Ein weiterer Trümmerberg, der noch auf dem Tempelberg liegt, ist für israelische Archäologen unzugänglich. Einer der leitenden Forscher des Projekts ist optimistisch und hofft, dass es die politische Atmosphäre eines Tages ermöglicht auch diesen Berg nach Fundstücken zu durchsieben. Für die Wissenschaftler geht es nicht darum, einen politischen Standpunkt zu unterstützen, sondern die vielen Kulturen kennenzulernen, die diesen Raum im Laufe der Jahrhunderte besetzt haben.
Vorerst bleibt dies ein Traum. Die Realität lässt sich besser durch das beschreiben, was er über politisch motivierte Kritik zu sagen hatte:
„In Jerusalem zu niesen ist eine intensive politische Aktivität. Man könnte den Kopf nach rechts oder links drehen.“