Gefühle, für die es keine Worte gibt

Gefühls-Chaos

Itay Gross, ein friedlich lebender Israeli, der bis zum frühen Morgen des 7. Oktobers 2023 seinem Alltag in der Hightech Welt nachging, und nebenbei noch ein paar Kinderbücher verfasste, listete seine ungeordneten Gefühle auf. Hier seine Liste.

Einen Monat nach dem 7. Oktober möchte ich mit Euch einige meiner Gefühle teilen:

– Verstört und aufgewühlt.

– Gestresst.

– 360 Grad rundum bedroht von Gaza, Libanon, Jemen, Syrien, Irak, Iran, dem Westjordanland und Israel selbst.

– Ich möchte zum normalen Leben zurückkehren.

– Ich muss weiter trauern.

– Ich möchte keine Nachrichten mehr lesen.

– Ich kann nicht aufhören, die Nachrichten zu lesen.

– Starkes Verlangen zu meiner persönlichen Sicherheit einen Waffenschein zu erwerben.

– Große Besorgnis über die zunehmende Zahl an Menschen, die mit Waffen herumlaufen, und die Folgen, die dies für unsere Gesellschaft haben wird.

– Dankbar für die vielen nicht-israelischen Freunde, die unterstützende Mails und Nachrichten senden, sich erkundigen, wie es uns geht, und Hilfe anbieten. Danke schön.

– Frustriert und wütend über die Ignoranz, den Hass, die Selbstgerechtigkeit und den Antisemitismus in Städten und Universitäten im ganzen Westen.

– In krasser Unterzahl. Juden machen weniger als 1 % der Weltbevölkerung aus, und offenbar mögen uns nicht viele Menschen oder sprechen uns jedenfalls nie das Recht zu, uns zu wehren oder in einem unabhängigen Land zu leben, in dem wir selbst regieren.

– Dass Israel kein sicherer Ort zum Leben und Aufziehen meiner Kinder ist.

– Dass Israel der einzige Ort ist, an dem ich leben, und meine Kinder großziehen kann (falls Du’s noch nicht gehört hast: Gestern wurde in LA ein Jude mit einer israelischen Flagge von Pro-Hamas-Demonstranten ermordet).

– Stolz darauf, dass sich so viele Israelis freiwillig melden, spenden, sich aufopfern, nach Israel zurückkehren, um zu kämpfen, ihre Familien und Kinder zu Hause lassen und kämpfen.

– Enttäuscht über mich selbst, dass ich nicht mehr tue.

– Ich schäme mich meiner Regierung, die, anstatt der Sache zu helfen, Bemühungen behindert und Zeit und Ressourcen darauf verwendet, sich politisch zu stärken. Oh, sie sind auch inkompetent und es mangelt ihnen am wenigsten an Einfühlungsvermögen.

– Tiefe Schande über die Siedlungsbewegung (unsere Version des religiösen Fanatismus), die wahllosen Hass und Gewalt verbreitet [allerdings kann man deren ‘Gewalt’ kaum mit dem Barbarismus der Hamas vergleichen].

– Ich habe das Privileg, dass meine Familie in Sicherheit ist.

– Demütig, inspiriert und voller Ehrfurcht durch die endlosen Geschichten über den selbstlosen Mut der Israelis. [die am 7. Oktober unglaubliche Heldentaten vollbracht haben, als sie sofort gen Süden heruntereilten, um Menschenleben zu retten und die Terroristen zu überwinden.]

– Fassungslos und sprachlos gegenüber der Überlebenden, der Familien der Opfer und der Geiseln.

– Traurig für die unschuldigen Menschen in Gaza, die schrecklich leiden, weil sie an einem der schlimmsten Orte der Erde unter einem extrem religiösen, ISIS-ähnlichen Regime geboren wurden, das sie als menschliche Schutzschilde benutzt.

– Nachdem ich jahrelang von einer friedlichen Lösung dieses Konflikts geträumt und dafür plädiert habe, weiß ich nicht mehr, wie dies je erreicht werden kann.

– Besorgt über die Zukunft der Juden und Araber in Israel, wissend, dass beide Seiten nirgendwo hingehen.

– Zu wissen, dass wir, selbst wenn wir mit der Hamas fertig sind, immer noch darüber nachdenken müssen, was wir mit dem Gazastreifen machen … und dann auch unsere interne politische Situation lösen müssen … oh, und die Hisbollah/Iran, die uns ständig im Norden angreift.

– Hoffnungslos und dennoch dankbar und glücklich, am Leben und gesund zu sein.

Mögen die von Hamas-Terroristen brutal Ermordeten in Frieden ruhen und die entführten Babys, Kleinkinder, Frauen, Männer, Soldaten und Alten so schnell wie möglich nach Hause zurückkehren.

Möge das Gute siegen.

📷 Eine der zahlreichen Ausstellungen in der Nähe meines Hauses im Zentrum von Tel Aviv:

Original veröffentlicht auf Linkedin: https://www.linkedin.com/posts/itay-gross_sharing-a-few-feelings-one-month-after-october-activity-7127634234747289600-_BXM/?utm_source=share&utm_medium=member_desktop

Israel vs. Hamas – a challenge to your perception of truth?

Illustration of an anti-Israel ralley

If I’ve learned one thing in life, it is this: you can never know the whole truth about anything. Because the truth changes depending on your perspective. But you can get close to it. To do that, you need to be prepared to crush anything and everything you ever believed. Most people can’t, or won’t.

I want to introduce to you two people who have completely turned their view of the world upside down. It took them much courage to admit the truth once they saw it with their own eyes. It even put them in considerable danger. 

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CEO, vorübergehend nur O

Voruebergehend Offizier

Den folgenden Text hat Avi David vor zwei Wochen auf LinkedIn geschrieben. Er ist noch immer an der Front.

Ich habe seinen Text übersetzt und hoffe, er wird bald wieder zu seinem Start-up zurückkehren und sich um erneuerbare Energiegewinnung Lösungen kümmern können. Aber das wird erst geschehen, wenn die Sicherheit wieder hergestellt ist und wir keine Angst mehr vor unseren grausamen Nachbarn haben müssen.

Ich habe mein Profilbild geändert, damit es meine aktuelle Priorität widerspiegelt.

Bis Samstag, den 7.10. war ich CEO von FutureGen, einem Unternehmen, das sich mit Energieprojekten der nächsten Generation beschäftigt. Aber das änderte sich, als ich um 7 Uhr morgens aufwachte.

Ich ging an diesem strahlenden sonnigen Morgen nach draußen und setzte mich sorgenfrei auf die Veranda meiner zukünftigen Schwiegereltern, nippte an meinem dampfenden Kaffee und begann, ein Buch zu lesen. Ich schaffte ungefähr zwei Seiten, als ein religiöser Nachbar die Stufen zu seinem Haus hinaufrannte und fragte, ob ich die Nachrichten gehört hätte.

„Die Nachrichten?“, antwortete ich, „Nein, heute ist Schabbat (und Feiertag), ich benutze mein Telefon nicht. Wovon redest du?“

Er erzählte mir, dass an der Grenze im Süden etwas los sei. Sehr schnell wurde mir klar, dass dies kein normaler Vorfall war. Ich schaltete mein Telefon ein und sah zu, wie mein Algorithmus (der speziell für OSINT im Nahen Osten entwickelt worden war) quasi explodierte. Ich bekam ein Kriegsverbrechen nach dem anderen in Echtzeit zu sehen.

Tausende von Raketen, Mörsern, Bomben und RPGs ließen den Tod auf Dutzende Städte nahe der Grenze herabregnen. Ich sah hilflos zu, wie Dutzende, dann Hunderte, schließlich über 1.000 Zivilisten gemordet wurden. Ich sah zu, wie Soldaten, Kinder, Jugendliche, ältere Menschen, Männer und Frauen, sogar Babys, von blutrünstigen Terroristen, die unter Captagon-Einfluss standen, brutal entführt wurden.

Geschockt rief ich meinen [IDF-]Kommandanten an, der mir sagte, ich solle meine Notfallausrüstung vorbereiten und zum Treffpunkt unseres Teams kommen.

Da ich in Haifa [im Norden Israels] war, gab ich Vollgas und raste nach Jerusalem, holte meine Tasche, und machte mich auf den Weg nach Süden.

Am Nachmittag war mein Team vollständig eingetroffen und innerhalb von 24 Stunden war ich an der Frontlinie.

Ich verbrachte dann mehrere Tage in Kfar Aza [ein vom Massaker betroffener Kibbutz] und Umgebung. Ich ging von Haus zu Haus, räumte und sicherte israelische Häuser.

Mein Team durchkämmte die schwelenden Ruinen, als wir die verbliebenen abscheulichen Täter jagten, die schwer aufzufinden waren, da sie im Kielwasser eines Tsunamis aus Blutbad und Chaos, Trostlosigkeit und Verzweiflung wandelten und verborgen blieben.

Am dritten Tag gingen mein Team und ich durch dutzende Häuser, wo wir mit der Suche und Identifizierung von Opfern beauftragt wurden, um festzustellen, ob sie ermordet oder entführt worden waren.

Viele waren in ihren Bunker-Räumen abgeschlachtet worden.

• In einem Fall hatten sich ein Vater und seine drei Söhne auf ihre Mutter gelegt, in dem verzweifelten Versuch, sie zu beschützen.

• Ältere Nachbarn hatten sich aneinander geklammert, in der Suche nach sowas wie Trost.

• Einige in ihren sonnigen Gärten, andere auf ihren schattigen Veranden.

• Einem Mädchen, nicht älter als 15 Jahre, waren die Jeans bis zu den Knöcheln heruntergezogen, das Herz aus der Brust auf dem Boden geschossen. Ihr Bruder war im Nebenzimmer, sein Gesicht über die Wand verspritzt.

• 10 % (der Opfer, die ich gesehen habe) waren enthauptet worden.

• Hunde lagen treu neben ihren Besitzern.

• Verbrannt

• Zerhackt

• Vergewaltigt

• Gefoltert

• und am bedenklichsten, vermisst.

Am Ende war ich mit allen erdenklichen Körperflüssigkeiten bedeckt und den schrecklichen Anblicken und Gerüchen gegenüber inzwischen völlig abgestumpft.

Aber ich werde nie vergessen.
Und ich werde nicht zulassen, dass ihr es vergesst.

Bis zum 7.10. war ich CEO, jetzt, geschmiedet durch den Schmerz von Stahl, ein Soldat.

Hier der Originaltext

Mail an meine Tante in Deutschland, 22.10.23

IDG Soldaten in der Wueste, Oktober '23

Hallo liebe Tante,

Es ist wirklich gut zu wissen, dass ich in schweren Zeiten eine Familie habe, die mir zur Seite steht.

Ich wollte mich entschuldigen, wenn ich gestern am Telefon etwas harsch reagiert habe. Es ist alles sehr, sehr emotional im Moment und die grauenhaften Bilder und Geschichten von dem Hamas Massaker hören einfach nicht auf. Es ist unglaublich belastend und auch beängstigend.

Ich weiß natürlich nicht, was bei Euch genau in den Medien berichtet wird, nehme jedoch an, dass sich die Bilder vom zerstörten Gaza häufen. Die Zerstörung ist schlimm und die Sympathie ist mit den Einwohnern.

Für uns ist es eine moralische Zwickmühle.

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No Revenge on Gaza

Faces of five of the victims from the Hamas massacre

Israel’s actions have never been about revenge or retaliation. It’s been about making sure this kind of shit doesn’t happen. 

Our fight has never been against Palestinians. We have simply been trying to ensure that those who come to massacre us will not succeed. 

But now they have. 

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Krieg gegen die Menschlichkeit

Image of a dead body with a white sheet in a destroyed kibbutz house (source: from FAZ)

Seit dem Massaker sind 10 Tage vergangen. 10 Tage voller Horrorgeschichten, die sich ständig weiter entfalten. Immer wenn ich glaube, das Schlimmste gehört zu haben, kommt noch mehr. Die Nachrichten und meine Social-Media-Feeds sind vollgepackt mit Videos und Berichten von Überlebenden und Familienangehörigen der Opfer. Ein endloser Strom abscheulicher, beängstigender Berichte darüber, was Menschen durchgemacht haben und noch durchmachen.

Zunächst waren es die Bilder vermisster Personen. Familienmitglieder baten verzweifelt um Hilfe bei der Suche nach ihren Angehörigen. Dann waren die Medien voller Bilder von  Gräueltaten und Barbarei, die die Terroristen selber gefilmt hatten. Langsam verlagerte sich der Fokus auf die Augenzeugenaufnahmen der Überlebenden. Sie erzählen unfassbare Geschichten, zusammen mit den Heldentaten von Anderen, die sie gerettet oder ihnen geholfen hatten.

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What kind of war?

It’s been 10 days since the massacre. 10 days of continuously unfolding horror stories. Whenever I think I’ve heard the worst, there’s more. The news and my social media feeds are packed with videos and reports of survivors and victims’ family members. An endless stream of sickening, frightening accounts of what people went through and are going through.

At first, it was the pictures of missing people. Family members were desperately asking for help in locating their loved ones. Then the media was filled with images shared by the terrorists of their atrocities and barbarianism. Slowly, the focus shifted to the eyewitness footage taken by survivors. They are telling unfathomable stories, together with the heroic actions of people who had saved or helped them. 

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My October 7th, 2023

We had planned a day trip. Through the stunning desert along the Gazan and Egyptian border and back across the Ramon Crater.

At 6:45 my alarm goes off.

I’m immediately aware of the distant rumbling. I know what this is. It’s the sound of rockets from Gaza and the iron dome intercepting them.

“Can’t be!” my mind refuses to accept, „There have been no signs of tension, no warnings from our side, and no threats from the Gazan side. It’s been calm.”

But the rumbling doesn’t stop. It’s continuous, and even though it’s far, it’s intense. I get out of bed to wash my face. There are notifications on WhatsApp already. Sure enough, the trip is cancelled – there’s rocket fire from Gaza.

I make coffee. „It’ll be over soon, no reason this should escalate.“ 

Little did I know!

The text messages didn’t stop rolling in. Video after video of Hamas terrorists, armed to their teeth driving through Israeli towns, appear in WhatsApp groups.

Honestly, I thought they were fake. This looked like ISIS back in the day. I never believed it was possible here.

Soon after, the media confirmed they were real. That’s when I realized, this was worse than anything I’ve experienced in over 30 years in Israel. Whatever happens next, there’s no going back to the normal we have known.

The sirens started going off all over the center of Israel. We made sure all our family members were safe and taken care of. We prepared our security room and, just as we had closed the heavy iron window shutter, the sirens in our village squeaked.

For the next three hours, they went off every fifteen minutes.

At the same time, we kept getting news of Hamas invading the south of Israel, shooting everyone, burning down houses and murdering entire families in their homes. Some got murdered sleeping in their own bedrooms.

Some were taken hostage and held in their living rooms. Parents saw their children shot in front of their eyes.

Hamas kidnapped small children, teenagers, and old women and shot men who were trying to defend their families with their private guns (if they had any).

Soon people reported dead bodies lying around in the streets of towns.

And in the desert? There was a big music festival where over 3000 people danced and celebrated life. Hamas terror squads barged in, heavily armed and shooting into the crowd. People ran for their lives in all directions. But where can you run to in the middle of the desert?

The terrorists caught them, killed or kidnapped and dragged them on motorbikes and trucks back into Gaza. The bodies of young women were stripped naked and pulled onto the trucks to be displayed to a cheering crowd driving back into Gaza.

I’ll stop here.
It brings me to tears and turns my stomach inside out.

At the end of the day, there were 300 Israelis dead, about 1800 wounded (numbers still rising), and hundreds are still missing. No one knows how many were taken hostage into Gaza.

I wrote this on October 8th. By the time of publishing, the number of people killed in the massacre had risen to about 1300 – with about 300 still not identified, that’s how badly they were mutilated. Around 200 people are being held hostage, among them citizens of Europe, the US and more. We stopped counting the injured.

Mein 7. Oktober 2023

Sonnenaufgang mit Raketenfeuer

Wir hatten einen Tagesausflug geplant. Durch die bezaubernde Wüste entlang der Grenze zu Gaza und Ägypten und zurück über den Ramon-Krater.

Um 6:45 Uhr klingelte mein Wecker.

Zu meinem Erstaunen hörte ich dumpfes Donnern in der Ferne. Ich erkannte es, so klingen Raketen aus Gaza und der Iron Dome, der sie abfängt.

„Das kann nicht sein!“ weigerte sich mein Verstand: „Es gab keine Anzeichen von Spannung, keine Warnungen von unserer Seite und keine Drohungen von der anderen Seite. Es herrschte in letzter Zeit Ruhe.“

Doch das Grummeln hörte nicht auf. Ununterbrochen dröhnte es immer und immer wieder. Ich stand auf, um mein Gesicht zu waschen. Die Benachrichtigungen auf WhatsApp bestätigten es, unser Trip war abgesagt – wegen Raketenbeschuss aus Gaza.

Ich ging in die Küche um Kaffee zu kochen. „Es wird bald vorbei sein, es gibt keinen Grund, dass es eskalieren sollte.“

Oh, wie ich mich irrte!

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Herr Blanke’s Middle Finger and A Lesson in Responsibility 

Herr Blanke entered and, while traversing the classroom, announced, “I have some unfortunate news, I will no longer teach you Math and Physics”. He reached the blackboard and turned to study our bewildered faces.

Silence. At the age of 11, you begin not to like your teachers, but this one was different. He was our class teacher, and we loved him – everybody loved him.

Herr Blanke was old-school and strict. But he also had a sneaky sense of humor and a mischievous smile to go with it. He respected his students and forgave our youthful foolishness. 

Here he was, scanning our reaction with a dead-serious expression. This wasn’t a joke.     

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